Berlin 2020

Berlin, Paris, Warschau, Belfast, Bern, 30.10.2020

Für herausragendes Engagement

Die europäischen Tolerantia Awards 2020

Die Verleihung findet unter den besonderen Bedingungen der andauernden Corona-Pandemie statt. Aus diesem Grund kann in diesem Jahr die Preisübergabe nicht im Rahmen einer Preisverleihungszeremonie stattfinden, die ursprünglich im Oktober in Warschau geplant war. Die Preise werden in diesem Jahr vor Ort und im kleinen Kreis von den Partnerorganisationen an die Preisträger*innen übergeben.

Mit den seit 2006 jährlich vergebenen Toleranta Awards werden Personen, Einrichtungen und Gruppen für herausragendes Engagement geehrt. Ihr Engagement betont demokratische Prinzipien wie Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz sowie Einsatz gegen Homophobie, Rassismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im eigenen Land, in Europa und darüber hinaus. Jede Organisation wählt mit einer eigenen Jury einen Preisträgerin aus dem eigenen Land.

Die auszeichnenden Organisationen gehören der ‚European Alliance Against Homophobia (Berlin Alliance)‘ an, die von den Organisationen aus Deutschland, Frankreich und Polen 2005 in Berlin gegründet worden war und der sich 2014 ‚The Rainbow Project‘ aus Nordirland und 2016 ‚Pink Cross‘ aus der Schweiz angeschlossen haben. Gemeinsam engagieren sich die Organisationen gegen Diskriminierung und vorurteilsmotivierte Gewalt, beraten und unterstützen Opfer homophober und trans*phober Gewalt und setzten sich für gesellschaftliche Aufklärung und demokratische Grundwerte, im eigenen Land und Europa ein. Grundlage des Bündnisses ist die gemeinsam unterzeichnete „Tolerancja-Erklärung“.

Die Preisträger*innen von 2020:


Deutschland

Dunja Hayali

Dunja Hayali
(© Foto: Jennifer Fey)

Die Wahrheiten sind auch hierzulande divers geworden, alternative Fakten machen die Runde besonders bei Jenen, die mit der faktischen Diversität des gesellschaftlichen Lebens ihre Probleme haben, gegen Geflüchtete, Migrant*innen, „Ausländer“, Andershandelnde hetzen, sich in sozialen Medien und auf der Straße antisemitisch, trans- und homophob äußern. Doch dann gibt es da Dunja Hayali, die sich weder von kruden Verschwörungspraktikern noch von besinnungslosem Geschrei ins Bockshorn jagen lässt, auf die Leute zugeht und Fragen stellt, den Dialog sucht. „Verstehen wollen, ohne Verständnis zu haben“ ist einer ihrer Leitsätze. Bis hin zu dem Punkt, an dem die sie begleitende Security auf einen Abbruch besteht, weil ihre Sicherheit sonst nicht mehr gewährleistet werden kann.

Für ihre „offensive Herangehensweise an gesellschaftliche Konflikthemen“ und ihren „Einsatz für Freiheit, Respekt und Toleranz“ wird nun Dunja Hayali der erstmals vergebene Walter-Lübcke-Demokratiepreis verliehen, der an den von einem Rechtsextremen ermordeten hessischen Kommunalpolitiker erinnert – eine Entscheidung, von der die MANEO-Jury zwar nicht wusste, als sie sich dafür entschied, Dunja Hayali den diesjährigen Tolerantia Award zu verleihen, die sie aber aus vollem Herzen begrüßt und bekräftigt: Gerade jetzt braucht es Menschen wie Dunja Hayali, die für ihre Haltung und für andere, aber auch für sich selbst einstehen. Die offen und klar Position beziehen gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie und Menschenfeindlichkeit. Die einerseits deutlich und hörbar Grenzen ziehen und andererseits unerschrocken über Themen sprechen.

Dunja Hayali geht den Problemen nicht aus dem Weg. Sie setzt sich mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert auf einen Marktplatz in Eisenach, um über die Demokratie zu sprechen. Sie wirft sich aber auch mitten in ein Getümmel aus Coronaleugnerinnen, Impfgegnerinnen, Neonazis, Esoteriker*innen und Co, um in Erfahrung zu bringen, was diese Mischung aus Leuten dazu bringt, gemeinsam zu demonstrieren. Sie kommt zu dem Schluss: der Zweck heiligt nicht die Mittel. Niemals.

Viele von uns sind sprachlos geworden angesichts der Konflikte und der mitunter extremen Art und Weise, mit der sie ausgetragen werden. Umso wichtiger ist es, dass jemand wie Dunja Hayali nicht schweigt, sondern spricht, als die Person, die sie ist: Eine Frau, deren Wurzeln nicht in Deutschland liegen, die hier geboren wurde und für die Werte der Verfassung eintritt. Eine Frau, die nicht hundertprozentig religiös ist, aber doch für Religionsfreiheit und Toleranz kämpft. Eine Frau, die auf die Einhaltung der Menschenrechte besteht. Eine Frau, die schon allein aufgrund ihrer Existenz Ermutigung ist.

Die deutschen Tolerantia Awards gingen bisher an: Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, Grüne, und Günter Dworek, Aktivist der Lesben und Schwulen Bewegung (2006); Die Gruppe “Menschenrechte und sexuelle Identität (MERSI)” von amnesty international (2007); Philipp Lahm, Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, und Dr. Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) und Tanja Walther, Sportwissenschaftlerin, (2008); Hans-Wolfram Stein, Lehrer in Bremen (2009); Wieland Speck und Mabel Aschenneller, TEDDY-Produzenten (2010); Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin (2011); Elfi Scho-Antwerpes, Bürgermeisterin der Stadt Köln (2012); Maria Sabine Augstein, Rechtsanwältin (2013); Cornelius „Corny“ Littmann, Hamburger Entertainer, Unternehmer und ehemaliger Vereinspräsident des FC St. Pauli (2014); Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin a.D. (2015). Die drei evangelischen Landeskirchen Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz [EKBO], die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau [EKHN] und die Evangelische Kirche im Rheinland EKiR, Heiko Maas, Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz (2017), Johannes Kram, Autor, Textdichter, Blogger und Marketingstratege (2018), Open for Business‘, ein internationales Netzwerk von Unternehmen (2019).

Der MANEO-Jury 2020 gehörten folgende Personen an: Christa Arnet, ehem. Mitarbeiterin in der Berliner Senatskanzlei, Pieke Biermann, Schriftstellerin und Übersetzerin, Thorsten Manske, Vizepräsident von Hertha BSC, Martin Reichert, Autor und Journalist, Dr. Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadt-Palastes, André Schmitz, Kulturstaatssekretär Berlin a.D., Lala Süßkind, ehem. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Seyran Ateş, Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin, Norbert Thormann, Unternehmer, und Bastian Finke, Leiter von MANEO, Vorsitzender der Jury.

Kontakt: Bastian Finke, Leiter von MANEO,
Mail: bastian. finke [at] maneo. de / home: www.maneo.de

Frankreich

Jacques Toubon and Giovanna Ricon

Jacques Toubon

Jacques Toubon

SOS homophobie hat Jacques Toubon als ersten Preisträger ausgewählt, weil er ein unerbittlicher Verteidiger der LGBTI + -Rechte war. Seine Ernennung warf jedoch aufgrund seiner früheren Zugehörigkeit zum politisch rechten Flügel Frankreichs enorme Bedenken innerhalb der LGBTI+ -Gemeinschaft auf: zwischen 1980 und 2000 stimmte er gegen die Gesetze für die Abschaffung der Todesstrafe, gegen die Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen, gegen die Legalisierung einer zivilrechtlichen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare und stellte einen parlamentarischen Antrag für die Begnadigung von Anti-Abtreibungs-Kommandos.

Überraschenderweise wurde er dann aber ein unerbittlicher Verbündeter der LGBTI+ -Gemeinschaft: er und sein Büro haben die Mängel der Regierung in dieser Sache heftig kritisiert, und haben viele umfassende Studien und Publikationen bezüglich LGBTI+ -Rechte veröffentlicht. Die Tatsache, dass er seine früheren Überzeugungen aufgegeben und beschlossen hat, sich voll und ganz für seine Aufgaben einzusetzen, ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie sich Menschen verändern können, wenn sie sich von politischen Spielen befreien.
SOS homophobie hofft, dass die ganze politische Szene in Frankreich seinem Beispiel folgen wird: alle politischen Parteien sollten sich gemeinsam für die Förderung und den Schutz der Rechte von LGBTI+ Menschen, sowie für Menschenrechte überhaupt, einsetzen, und sich nicht durch wirtschaftlich bedingte Meinungsverschiedenheiten aufhalten lassen.

Da die Arbeiten und Publikationen von Jacques Toubon und seinem Büro sehr umfangreich sind, wollen wir hier nur die zitieren, welche die Mitglieder von SOS homophobie für die Wichtigsten halten: ein Ratgeber „Gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz“ und ein Ratgeber für LGBTI+ Asylbewerber*innen und die Organisationen, die sie begleiten, damit diese ihren Flüchtlingsstatus erhalten.
Außerdem machten sie gegenüber der Regierung, den Behörden und dem Parlament mehrere wichtige Empfehlungen: Vereinfachung und Entjustizialisierung bei Anfragen auf Namensänderung und Geschlechtsänderung im Standesamt, Schluss mit der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare bei der Adoption, Anerkennung der Kindesverhältnisse von Kindern, die vor oder nach dem standesamtlichen Eintrag der Geschlechtsänderung eines Elternteils geboren wurden, Anwendung des gewünschten Namens und Anrede anstelle des im Personenstandsregister eingetragenen Namens, sowie die Forderung für eine Gesetzesvorlage, in der sexuelle Verstümmelungen bei intersexuellen Kindern anerkannt und verboten werden.

SOS homophobie möchte hiermit Jacques Toubon seinen tiefsten Dank ausdrücken: wenn Frankreich nur die Hälfte seiner Empfehlungen folgen würde, wären wir eine integrativere, sicherere und respektvollere Gesellschaft für alle, und insbesondere für LGBTI+ Menschen.

Giovanna Ricon

Wir möchten ebenfalls hervorheben, dass Jacques Toubon stets enormen Respekt gegenüber Organisationen und deren freiwilligen Mitarbeiter*innen zeigte, immer darauf achtete, sie einzubeziehen, auf sie zu hören und ihre Basisarbeit zu fördern.
Aus all diesen Gründen möchte SOS homophobie Jacques Toubon als einen der prominentesten Verbündeten der französischen LGBTI+ -Gemeinschaft des letzten Jahrzehnts anerkennen.

Giovanna Ricon

Giovanna Ricon wurde 1969 in Bogotá geboren. Während ihres gesamten Lebens war sie nicht nur dem Rassismus, sondern auch der Transphobie und der Serophobie (Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen) ausgesetzt und wurde im Alter von 12 Jahren Opfer von Misshandlungen durch Strafverfolgungsbehörden, zu dem Zeitpunkt, als sie anfing, sich als Frau durchzusetzen. Sie wanderte 1993 nach Italien aus, wo sie begann, sich zusammen mit trans Sexarbeiterinnen zu engagieren, da ihnen viele ihrer Grundrechte, insbesondere die Gesundheitsversorgung, weitgehend entzogen worden waren (die Mehrheit hatte keinen Zugang zu HIV-Medikamenten). Im Jahr 2002 siedelte sie nach Frankreich über, wo sie inzwischen eine der bekanntesten Aktivistinnen im Kampf für die Förderung und Verteidigung von Trans-Menschen, Geflüchteten, Sexarbeiterinnen und HIV-positiven Menschen ist.

SOS homophobie hat Giovanna Ricon als eine ihrer Preisträgerinnen ausgewählt, da während und nach dem Lockdown in Frankreich (von März bis Ende Mai / Anfangs Juni) sich die Notwendigkeit ihrer Arbeit noch deutlicher erwiesen hat: aufgrund der überfüllten Krankenhäuser wurden viele routinemäßigen Termine abgesagt, und so erhielten viele Trans-Menschen keine hormonelle Behandlung mehr, und fast jede geschlechtsangleichende Operation wurde verschoben oder ganz abgesagt. Aus dem gleichen Grund hatten viele HIV-positive keinen Zugang zu einer Behandlung. Da Sexarbeit in Frankreich verboten ist (Klientinnen können strafrechtlich verfolgt werden), wurden Sexarbeiterinnen vollständig von der staatlichen Unterstützung ausgeschlossen – meistens finanziell – und daher noch tiefer in die Armut gedrängt. Obwohl die französische Regierung kürzlich die schlimmen Auswirkungen des Lockdowns für LGBT+ -Personen anerkannt hat, wurde die Tatsache, dass die Trans-Community übermäßig davon betroffen war, übersehen, und dies obwohl viele Trans-Aktivistinnen wie Giovanna Ricon diese Themen aufgegriffen hatten. Dies zeigte das Desinteresse der Politikerinnen gegenüber ihren schutzbedürftigsten Mitbürgerinnen. Neben ihrer Rolle als Whistleblowerin initiierte und koordinierte sie mehrere lebensrettende Maßnahmen für die ärmsten Menschen, insbesondere innerhalb der Trans-Community, während die Regierung darüber hinweg sah.

Eine ihrer bemerkenswertesten Leistungen ist ihre Arbeit für die Organisation “Acceptess-T”, welche sie auch gründete. Diese Organisation hilft Transfrauen, insbesondere Geflüchteten (unabhängig davon, ob ihnen der offizielle Flüchtlingsstatus gewährt wurde oder nicht), Sexarbeiterinnen und HIV-positive Frauen, unabhängig und emanzipiert zu werden. Zum Beispiel können sie Französisch lernen und man hilft ihnen, finanzielle Stabilität zu erreichen, und dabei, sich ihrer Rechte und die Möglichkeiten diese durchzusetzen bewusst zu werden (insbesondere im Gesundheitswesen); und man bietet ihnen Selbsthilfegruppen an, vor allem in Form von körperlichen Aktivitäten. Während des Lockdowns startete Giovanna Ricon „FAST“ (Trans Social Aid Fund), das einzige finanzielle Unterstützungssystem für Trans‘-Menschen. Dank der unter ihrer Leitung äußerst gut koordinierten Kommunikationskampagne von Acceptess-T erlangten sie eine enorme Sichtbarkeit. Während des Lockdowns organisierte und beteiligte sie sich ebenfalls an der Notversorgung von Lebensmitteln und Notunterkünften.

Wir, von SOS homophobie, möchten Giovanna Ricon unsere tiefste Bewunderung ausdrücken: ihre Fachkenntnisse sowie ihr Engagement machen sie zu einem echten Vorbild für alle Aktivistinnen. Wegen ihrer Hingabe, den verletzlichsten und von Vorurteilen am meisten betroffenen Menschen in der LGBT+ -Gemeinschaft zu helfen, ist Giovanna Ricon zweifellos eine der großen Aktivistinnen im Kampf gegen LGBT+ Feindlichkeit.

Die französischen Tolerantia Awards gingen bisher an: Dr. Louis-George Tin, LSBT*- und Antirassismus-Aktivist (2006), die Theaterproduktion „Place des mythos“ (2007), Bruno Solo, Schauspieler und Fernsehproduzent (2008), Paris Foot Gay, der schwule Fußball-Club in Paris (2009), Caroline Mécary, Anwältin und Bürgerrechtlerin (2010), Olivier Dussopt und Franck Riester, Abgeordneten der französischen Nationalversammlung (2011), Véronique Eledut, Lehrerin und Aktivistin (2012), Le Petit Journal, das von Yann Barthès moderierte Fernsehmagazin (2013), „www.projet17mai.com“, das Projektteam der Webseite, das Cartoons gegen Homophobie in Frankreich zeigt (2014), Irène Théry, Soziologin und Mitglied des ‘Haut Conseil de la Famille’ (2015), Amnesty International France (2016), Stéphane Corbin, Sänger und Komponist, und Océane Rosemarie, Sängerin, Komikerin, Schauspielerin und Regisseurin (2017), Christiane Taubira, franfösische Justizministerin a.D. (2018), ‚Collective des Intersexes et Alliés (CIA)‘ (2019).

Kontakt: Jérémy Falédam, Präsident von ‚SOS homophobie‘
Mail: sos [at] sos-homophobie. org / home: www.sos-homophobie.org

Polen

Andrzej Selerowicz

Andrzej Selerowicz, geboren 1948 in Bełchatów, Polen, ist Aktivist für Schwulen- und Lesbenrechte in Mitteleuropa, Journalist und Übersetzer von LGBT-Literatur ins Polnische. Seit 1976 lebt er in Österreich, wo er sich als Aktivist für die Homosexuellen-Initiative Wien (HOSI) und die ILGA-Europa, den internationalen Dachverband der LGBT+-Organisationen, betätigt.

Ab 1982 baute er den Eastern Europe Information Pool mit dem Fokus auf Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei und die DDR mit auf. 1984 lancierte er seine Ergebnisse zu der Studie, die als Buch unter dem Titel „Rosa Liebe unter dem Roten Stern: zur Lage der Lesben und Schwulen in Osteuropa“ erschien.

Andrzej Selerowicz übersetzt Klassiker der homoerotischen Literatur aus dem Englischen und Deutschen und ist Autor eigener Bücher – unter anderem: „Leksykon kochających inaczej. Fakty, daty, nazwiska“ (1993) [LGBT Lexikon – Fakten, Daten und Namen], „Akcja ‚Hiacynt‘“ (2015) [Code-Name: ‚Hyacinth‘ [Kryptonim: ‚Hiacynt‘])“, „Ariel znaczy lew” (2018) [Ariel bedeutet Löwe] und „Innej tajemnicy wiary“ (2019) [Ein weiteres Geheimnis des Glaubens].

Und er tanzte und gewann, zusammen mit seinem Mann John Clark, zwischen 1998 bis 2006 zahlreiche internationale Tanzturniere, unter anderem bei den Gay Games und den Eurogames.

Für die polnische LGBT+ Community ist er seit Anfang der 1980er Jahre aktiv. In Wien stieg er in die Arbeit des bei ILGA-Europa angesiedelten Eastern European Information Pool ein und koordinierte nicht nur die Sammlung von Informationen über die nicht-heteronormative Community hinter dem „Eisernen Vorhang“, sondern engagierte sich auch für – oder besser: initiierte – die ersten polnischen Schwulen- und Lesbenorganisationen.

1983 erschien die erste Ausgabe seines „Bulletin“, es war der Startschuss für die queere Presse in Polen. Das „Bulletin“, ein Magazin in Flugblattform, wurde per Post nach Polen geschickt und dort unter Aktivist*innen verteilt. Damals herrschte in Polen noch das Kriegsrecht, d.h. wer bei unabhängigen Initiativen mitmachte, war von staatlicher Repression bedroht.

In den folgenden Jahren koordinierte und unterstützte unser Preisträger die Gründung der ersten örtlichen LGBT-Gruppen – „Etapu“ in Wrocław, „Filo“ in Gdańsk und Warszawskiego Ruchu Homoseksualnego (Homosexuellen Bewegung Warschau). Ohne seine Unterstützung, seine Hilfe und sein Engagement wäre die Gründung der ersten landesweiten, legalen Schwulen- und Lesbenorganisation 1990, der ‚Stowarzyszenia Grup Lambda‘ (Vereinigung der Lambda-Gruppen), nicht möglich gewesen.

Das war ein historisches Ereignis, denn mit ihr begann unsere Geschichte. Heute – 30 Jahre später – möchten wir Andrzej Selerowicz dafür unseren Dank aussprechen! In Anerkennung seiner Verdienste um und seines immensen Beitrags zur Entstehung der schwullesbischen Bewegung in Polen seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren verleiht Lambda Warszawa seinen diesjährigen Tolerantia Award an den Aktivisten, Schriftsteller, und Übersetzer Andrzej Selerowicz.

Die polnischen Tolerantia Awards gingen bisher an: Kazimierz Kutz, Filmregisseur und Politiker (2006), Piotr Pacewicz, Journalist und Publizist (2007), Marzanna Pogorzelska, Lehrerin und Autorin (2008), Prof. Zbigniew Hołda, Richter und Bürgerrechtler, und Izabela Jaruga-Nowacka, Politikerin und Frauenrechtlerin – postum (2010), Adam Bodnar, Jurist und Menschenrechtsaktivist, und Katarzyna Bojarska, Psychologin und Aktivistin (2012), Ewa Siedlecka, Journalistin (2013), Monika Płatek, Kriminologin und Feministin(2014); Ewa Wanat, Radio-Journalistin und Persönlichkeit im Fernsehen (2015), Ilona Łepkowska, Drehbuchautorin und Mitglied der polnischen Fernsehakademie und Präsidentin der Fernsehgesellschaft ‘Serial’ (2016), Elżbieta Szczęsna, Mitbegründerin des Vereins „Akceptacja“ (Akzeptanz), Vereinigung von Familien und Freunden von LSBT* (2017), die polnische LSBT+ Community (2018), Bartosz Staszewski, LSBT+Aktivist und Filmemacher (2019).

Kontakt: Krzysztof Kliszczyński, Vorstand von ‘Lambda Warszawa’,
Mail: kkliszczynski [at] lambdawarszawa. org / Home: www.lambdawarszawa.org

Schweiz

Delphine Roux

Delphine Roux kommt aus dem südlichen, konservativeren Teil der Schweiz. Das Aufwachsen in den Bergen hat sie stark und zäh gemacht und so hat auch der konservative Kanton, in dem sie aufwuchs, sie nicht davon abgehalten, während ihres Studiums an der Universität Genf Co-Präsidentin der studentischen LGBTI+ Organisation in Genf, Think Out, zu werden. Doch nach diesem Engagement hat ihre Hartnäckigkeit nicht nachgelassen – ganz im Gegenteil.

Seit 11 Jahren ist sie Koordinatorin des Verbands und war in vielen Projekten stark involviert, so auch in der Entwicklung des Präventionsplans gegen Homo- und Transphobie an Schulen. Heute besucht der Verband fast 150-mal pro Jahr Schulklassen in Genf und sie teilen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit Lehrpersonen und den Genfer Schulbehörden. Delphine und ihre Kolleginnen besuchen jedoch nicht nur die Schulen, sondern konzipieren auch Unterrichtsmaterialien. Zusätzlich schulen sie Schulleitungen und Lehrpersonen zu Themen wie Prävention von Diskriminierungen und gleiche Chancen für LGBTI+ Schülerinnen und unterstützen sie mit Rat und Tat in herausfordernden Situationen mit LGBTI+ Personen, beispielsweise bei trans Schüler*innen, die in der Transition sind.

Darüber hinaus ist Delphine verantwortlich für die Genfer LGBTI+ Jugendgruppe, Totem. Diese Gruppe trifft sich jeden zweiten Dienstag und bietet jungen Menschen bis 25 einen Safe Space. Dabei werden sie von drei Volunteers begleitet. Doch Totem organisiert nicht nur niederschwellige Aktivitäten wie Pizza- oder Game-Nights, sondern auch kulturelle Ausflüge und Abende zu Themen wie das Coming-Out bei den Eltern oder wie man mit Homo- und Transphobie umgehen kann.

Delphine war für drei Jahre auch Vorstandsmitglied des „Dachverband Regenbogenfamilien Schweiz“. Mit diesem Verband hat sie eine nationale Umfrage zu Regenbogenfamilien in der Schweiz und ihren Bedürfnissen entwickelt und Sensibilisierungsmaterialien zu Regenbogenfamilien für Eltern und Schulen erarbeitet. Zusätzlich war sie beim Lobbying zur rechtlichen Absicherung von Kindern in Regenbogenfamilien aktiv und kämpfte für die Änderung der Schweizer Gesetze.

Es ist wohl unmöglich, all ihre Aktivitäten und ihr Engagement für die Rechte von LGBTI+ Personen aufzuzählen. Doch Delphine ist ein Vorbild für Hartnäckigkeit und unermüdliche Arbeit und sie ist eine starke Frau, zu der alle in unserer Community aufschauen können. Für all diese Gründe und für alle, die wir vergessen haben, möchten wir Delphine für ihr Engagement und ihre Arbeit für unsere Community danken. Und natürlich auch für die Arbeit, die noch vor uns liegt. Denn mit nur 35 Jahren ist Delphine noch lange nicht fertig.

Die schweizer Tolerantia Awards gingen bisher an: Florian Vock und Jazzmin Dian Moore, LSBT-Activisten (2016), Alan David Sangines, Mitglied vom Gemeinderat der Stadt Zürich und ehem. Vizepräsident des ‚Zurich Pride Festival‘ (2017), Kathrin Bertschy, Nationalrätin der Grünliberalen Partei der Schweiz (2018), Henry Hohmann, Mitbegründer des ‚Transgender Network Switzerland‘ TGNS (2019).

Kontakt: Roman Heggli, Generalsekretät von ‚Pink Cross‘,
Mail: roman. heggli [at] pinkcross. ch / home: www.pinkcross.ch

Nordirland

Die Kampagne ‘Love Equality’


Preisträger 2020 für Nordirland ist die Kampagne ‚Love Equality‘, ein Zusammenschluss verschiedener nordirischer Organisationen, die sich seit langem für das gesetzlich verbriefte Recht auf eine zivile Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare einsetzen.

Zu Love Equality gehören Amnesty International Nordirland, das Rainbow Project, die Gewerkschaften des Irish Congress of Trade Unions Nordirland, das Hilfsprojekt für bisexuelle Frauen Here NI, die LGBT-Unterstützungsgruppe Cara-Friend und die Studierenden-Organisationen NUS-USI.

Nach dem erfolgreichen Referendum zur Gleichstellung in der Republik Irland von 2015 gründete sich in Nordirland Love Equality und organisierte eine Kundgebung für die Ehe für alle im Zentrum von Belfast mit 20.000 Teilnehmer*innen.

Um die Ehe für alle endlich auch in Nordirland zu verwirklichen, entfaltete die Kampagne verschiedenste Aktivitäten – sie konzentrierte sich auf legislative Arbeit im Parlament, der Northern Ireland Assembly, ging gegen gerichtliche Verbote vor und erfand allerlei Anlässe, bei denen die nordirische Öffentlichkeit ihre Unterstützung für die Ehe für alle demonstrieren konnte, zum Beispiel bei Kampagnenevents wie der BIG Fat Gay Wedding, als Programmteil der Culture Night Belfast.

Als 2017 die Northern Ireland Assembly vorübergehend handlungsunfähig wurde, verlegte die Kampagne Love Equality ihren Fokus auf das weiter für viele nordirischen Gesetze zuständige britische Parlament in Westminster, machte Lobbyarbeit bei Abgeordneten und entwickelte Strategien zur Erlangung der Ehegleichstellung im Parlament.

Im Juli 2019 konnte die Kampagne durchsetzen, dass zu dem Gesetzespaket, das die britische Regierung gerade durchs Parlament brachte, auch die Gleichstellung der Ehe gehörte, und damit wurde im Februar 2020 die Ehe für alle auch in Nordirland legal. In diesem Oktober wurde mit dem Inkrafttreten von Verfahrensvorschriften, wie die bisher gültige zivile Partnerschaft in eine Ehe umgewandelt werden kann, dann endlich die letzte Hürde genommen.

Die Love Equality Kampagne ist ein gutes Beispiel dafür, dass Partnerschaft, Zusammenarbeit und Kreativität nicht zu bremsende Kräfte sind, wenn es um progressiven Wandel und die Verbesserung der Lebensbedingen für LGBT+- Menschen geht.

Die nordirischen Tolerantia Awards gingen bisher an: Máirtín Ó Muilleoir, Mitglied der Nordirland-Versammlung (Parlament), SF, Bürgermeister der Stadt Belfast a.D. (2015), Marry Mc Aleese, Präsidentin der Republik Irland 1997-2011 (2016), Chris Hudson, Pfarrer der All Souls Non-Subscribing Presbyterian Church in Süd-Belfast (2017), Bronagh Waugh, irische Schauspielerin (2018), Lyra McKee, Journalistin – postum (2019).

Kontakt: John O’Doherty, Direktor von ‘The Rainbow Project’
Mail: director [at] rainbow-project. org / home: www.rainbow-project.org

MANEO-Newsletter #37