Paris 2007

Berlin, den 02.11.2007

Tolerantia-Award 2007

Am Abend des 3. November wurde zum zweiten Mal der von MANEO initiierte deutsch-französisch-polnische Tolerantia-Preis verliehen. Die diesjährige Preisverleihung fand im Pariser Louvre statt.

Foto: © MANEO. Receiving the Tolerantia Prize at the Louvre in Paris on 3rd November 2007. All award winners und organisers from France, Germany and Poland.
Foto: © MANEO. Receiving the Tolerantia Prize at the Louvre in Paris on 3rd November 2007. All award winners und organisers from France, Germany and Poland.

Mit der trinationalen Auszeichnung würdigen die Organisationen SOS-Homophobie (Frankreich), Lambda-Warsawa, Kampagne gegen Homophobie und Stiftung für Gleichberechtigung (Polen) und MANEO (Deutschland) beispielhaftes Engagement zur Überwindung von Homophobie und Hassgewalt in den jeweiligen Ländern. Die diesjährigen Preisträger sind der polnische Bürgerrechtler und stellvertretender Chefredakteur der liberalen Tageszeitung „Gazety Wyborczej“ Piotr Pacewicz, das französische Theaterprojekt „Place de Mythos” und die deutsche Gruppe „Menschenrechte und sexuelle Identität (MERSI)“ bei amnesty international.

Auf ein Wort – Die Preisträger 2007

Frankreich

Vanva Gauthier, Leiterin des mit dem Tolerantia-Preis 2007 augezeichneten Theaterprojektes „Place de Mythos / Delusion Square“ (Frankreich):

<< Wir arbeiten seit rund zwölf Jahren mit jungen Leuten von Ris-Orangis, einem Vorort von Prais, der ebenso sozialer Brennpunkt ist, zusammen.Vor drei Jahren kamen wir auf die Idee das Thema „schlechter Ruf“ auf die Bühne zu bringen. In den Banlieues, so wie

unserer, werden Mädchen, die Affären mit Jungs haben, als Schlampen abgestempelt, und Jungs, die keine Affären mit Mädchen haben, als „Schwule“. Zu Beginn unseres Projekts zeigten auch unsere jungen Leute starke homophobe Tendenzen. Doch mit der Zeit drehte sich etwas in den meisten derer Köpfe. Und dazu hat unser Theaterstück beigetragen.

Wir sind unheimlich stolz den Tolerantia-Preis zu bekommen. Es ist sehr wichtig für uns, weil wir wissen, wer ihn vor uns bekommen hat und das macht diese Auszeichnung noch wertvoller. Wir haben durch „Place de Mythos“ für die Belange der Homosexuellen ein Zeichen setzen wollen. Dieser Preis ist ein Preis des Herzens. >>

Deutschland

Richard Harnisch, Sprecher der mit dem Tolerantia-Preis 2007 ausgezeichneten Gruppe „Menschenrechte und sexuelle Identität (MERSI)“ bei amnesty international:

<< Wir freuen uns über diese Anerkennung unseres langjährigen Einsatzes für die Menschenrechte weltweit. Von großer Bedeutung für unsere Arbeit ist ein funktionierendes internationales Netzwerk, um Informationen schnell auszutauschen und im Ernstfall reagieren zu können. Durch den Tolerantia-Preis können wir insbesondere unsere Bindung nach Polen weiter ausbauen. Das ist sehr wichtig für uns; bereits seit längerer Zeit machen wir uns für eine Verbesserung der Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in unserem Nachbarland stark. >>

Polen

Piotr Pacewicz, mit dem Tolerantia-Preis 2007 ausgezeichneter polnischer Bürger-rechtler und stellvertretender Chefredakteur der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza:

<< Als ich für unsere Zeitung Gazeta Wyborcza einen Komentar zu den Ergebnissen des letzten ‚Gewalt-Berichts’ der Organisation KPH (Campaign Against Homophobia) and Lambda schrieb titelte ich meinen Beitrag mit den Worten “Seid leise ihr Schwulen“. Homosexuelle sind Opfer vieler Aggressionen. Nach dem letzten Bericht wurden 20 Prozent der Schwulen Opfer physischer Gewalt, etwa die Hälfte aller Schwulen erlebte verbale Gewalt and Einschüchterung. Aber das größte Problem ist der Pakt des Schweigens über diese Gewalt. 85 Prozent der Schwulen verbergen ihre homosexuelle Orientierung am Arbeitsplatz, 79 Prozent an Schulen und Universitäten. 50 Prozent der Mütter und Zweidrittel der Väter wissen nicht die Wahrheit über ihre Kinder. Eines der Gründe für diese tragische Statistik ist der katholische Konservatismus.

Zwei Jahren lang wurde Polen von rechtgerichteten Populisten regiert, größtenteils von der Partei der Kaczynski-Brüder ‚PiS’. Sie benutzen und bestärkten homophobe Einstellungen.

Letzten Monat verloren die Kaczynsci-Brüder die Parlamentswahlen in Polen. Regierungschef Kaczynski erklärte seine Niederlage damit, dass diese aufgrund einer machtvollen Front, angeführt durch die Zeitung Gazeta Wyborcza, herbeigeführt worden sei.

Das sich verändernde politische Klima wird dazu beitragen, dass es bald zum politisch korrekten Ton gehören wird, homophobe Äußerungen ebenso zu verurteilen wie dies bereits bei antisemitischen Äußerungen geschieht.

Ich sehe das auch noch in einem weiteren Kontext als eine Herausforderung für die Bürgergesellschaft. Obwohl sich unser Land dynamisch schnell weiter entwickelt und die Polen sich mit einer ebenso großen Schnelligkeit weiter bilden, so entwickelt sich unser soziales Kapital nicht mit gleicher Geschwindigkeit. Vertrauen in andere, guter Wille und Kooperationsbereitschaft, der Wille, bürgerliche Verantwortung zu übernehmen, das befindet sich noch immer auf dem niedrigsten Level in Europa. Polen sind noch keine vollreifen Bürger.

Erklärungen wie die Tolerancia-Erklärung sind wie Sterne am Himmel wie Immanuel Kant sie sah. Sie können einer bürgerlichen Mobilisierung behilflich sein. Eine solche muß auch auf Seite der Homosexuellen stattfinden. >>

Der Tolerantia-Preis

Erstmals in 2006 hatten die Projekte MANEO, der französische Verein SOS-Homophobie sowie die polnischen Organisationen Lambda, KPH und die Stiftung für Gleichberechtigung mit dem „Schwulen Weimarer Dreieck“ ein Netzwerk gegründet, um in der Anti-Gewalt-Arbeit trinational enger zusammen zu arbeiten. Die Organisationen haben u.a. beschlossen, jedes Jahr zum Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai ihre Jahresberichte der Öffentlichkeit zu präsentieren und an die EU weiter zu leiten. Darüber hinaus wollen sie ihre Meldestellen für die Erfassung von homophober Gewalt sowie die Opferhilfearbeit für homosexuelle Gewaltopfer ausbauen, insgesamt der Bagatellisierung homophober Gewalt in der Öffentlichkeit energischer entgegen treten. Da Homophobie keine Grenzen kennt, muss dieser gesellschaftlich relevante Kampf über die eigenen Grenzen hinaus geführt werden.

Der „Tolerantia“-Preis ist der symbolträchtigste Ausdruck dieser Zusammenarbeit. Ausgezeichnet wurden im Mai 2006 im Rahmen einer Benefiz-Veranstaltung im Beisein des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, die Grünen-Politiker Volker Beck und Günther Dworek (Deutschland), der Begründer des Internationalen Tages gegen Homophobie, Dr. Louis-Georges Tin (Frankreich) und der Senator Kazimierz Kutz (Polen).

Weitere Infos: www.maneo-toleranzkampagne.de